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Pioniere

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Die Anfänge von Max Design

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Kunst und Zeitvertreib, brutal oder unschuldig, vielfältig und umstritten: Das sind Computerspiele schon immer gewesen. Unbestritten ist ihr Erfolg. Mit 1,95 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2019 allein in Deutschland hat die Spiele-Industrie das Kino längst abgehängt. Zu den erfolgreichsten Spielen aus dem deutschen Raum zählt das 22 Jahre alte Spiel Anno 1602. Es wurde mehr als 2 Millionen Mal verkauft.

Das ist die Geschichte des österreichischen Entwicklerstudios Max Design und seines Erfolgs-Hits Anno 1602.
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Gründung zu dritt

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"Gegründet haben wir Max Design zu dritt. 1991 inoffiziell, offiziell 1992" erzählt Wilfried Reiter in seinem Büro im österreichischen Schladming. Die Brüder Martin und Albert Lasser programmierten damals das Amiga-Spiel Cash. Wilfried Reiter war bei diesem ersten Spiel als Testspieler dabei.

Ein Jahr später gründeten Wilfried Reiter und Martin Lasser, die sich bereits aus der Hauptschule kannten, das Studio Max Design. Kurz darauf stieß auch Albert Lasser als dritter dazu. Wilfried Reiter lacht, als er sich beim Erzählen zurückerinnert. "Dann ist es 13 Jahre lang rund gegangen!"
Cash, das 1991 erschien, war bereits eine Wirtschaftssimulation. Obgleich das Team sich in vielfältigen Genres versuchte, kehrte es zu den Wirtschaftssimulationen immer wieder zurück. Rückblickend zeigt schon dieser erste Titel, womit Max Design schließlich seinen größten Erfolg feiern wird.

Im Halbjahres-Abstand veröffentlichten die drei jungen Entwickler drei weitere Spiele: die beiden Puzzles Think Cross (1991) und Osiris (1992), bevor mit 1869 - Hart am Wind (1992) die nächste Wirtschaftssimulation folgte.
In 1869 - Hart am Wind übernehmen die Spieler*Innen ein Handelsunternehmen, das - Anno 1602 lässt aus der Zukunft grüßen - mit großen Segelschiffen auf Erfolgskurs geführt werden soll.


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Autodidakt mit viel Liebe zum Detail

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"Große Schiffe haben uns immer schon fasziniert", erzählt Wilfried Reiter. Zu Recherchezwecken fuhren sie damals - lange bevor Wikipedia verriet, wie viel Besatzung ein Schoner und wie viel Ladung eine Fregatte aufnehmen konnte - nach Wien ins Museum. Liebe legte man auch ins Detail: So müssen im Spiel etwa Schiffe, die zu lange auf See waren, ins Trockendock, wo Muscheln vom Rumpf entfernt werden, denn sonst segeln sie langsamer. Eben ganz wie es auch bei echten Schiffen war, erzählt Reiter. Das Amiga-Spiel 1869 - Hart am Wind wird auch heutzutage noch gespielt, wie zahlreiche Let's Plays, also Videos von Spieldurchläufen, auf Youtube zeigen. Das mag auch an der handgemachten Pixel-Grafik von Albert Lasser liegen, die zwar weit von zeitgemäß entfernt ist, aber durchaus noch einen gewissen Charme versprüht.

Auf die Frage, wie man sich für die unterschiedlichen Szenarien entschied, antwortet Wilfried Reiter, dass die Wahl zunächst immer auf ein bestimmtes Thema fiel. Über dieses näherte man sich dann an das Game-Design an. In der Schule oder an der Uni gelernt haben die drei ihr Handwerk übrigens nicht: Sie brachten sich die Spieleentwicklung autodidaktisch bei.
"Damals gab es Computer-Magazine. In denen standen kurze Code-Schnipsel. Wir haben diese kopiert und viel probiert. Wenn einer etwas geschafft hatte, hat er es den anderen gezeigt." So motivierte sich das Team. Für den C-64 gab es dann bereits gute Einführungs-Literatur in die Programmierung.


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Klages vergibt für 1869 - Hart am Wind eine Wertung von 85%. Weniger begeistert ist sein Kollege Knut Gollert in der Power Play 08/92. Er bemängelt die umständliche Menüführung, lobt jedoch die Grafik ebenfalls. Er verleiht dem Spiel eine Wertung von 72%.
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Programmierte man die bisherigen Titel in einem halben Jahr, so brauchte man für Burntime bereits ein Dreivierteljahr.
Burntime ist ein strategisches Rollenspiel, in dem sich Spieler*innen durch die Postapokalypse kämpfen. Von der Presse wurde das Spiel mit Wertungen im mittleren Achtziger-Bereich versehen. "Summa summarum haben wir es hier mit einem dieser seltenen Fälle zu tun, wo die Technik ebenso stimmt wie das komplexe und abwechslungsreiche Gameplay [...]"  urteilt etwa Joachim Nettelbeck in der Amiga Joker 10/93. Knut Gollert setzt die Wertung wie schon bei 1869 niedriger als seine Kollegen an. Er verleiht 69%, kritisiert die Grafik und die Echtzeitkämpfe, die zu sehr vom Glück abhingen.

Interessant bei Burntime ist auch der Erscheinungszeitpunkt, denn 1993 war die Postapokalypse medial gerade nicht präsent und auch der Entwicklungsort Schladming - Ski-Paradies im Winter und saftig grüne Berghänge im Sommer - dürfte als dystopische Inspiration nicht in Frage gekommen sein.

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Zwischen zwei Endzeit-Epochen

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Die Mad Max-Trilogie lag bereits fast ein Jahrzehnt zurück und auch das Spiel Wasteland (1988) erschien noch im vorigen Jahrzehnt. Seiner Zeit voraus war der Titel in Hinblick auf Fallout, das vier Jahre später veröffentlicht wurde und den Grundstein für eine Spiele-Serie legte, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreut und die postapokalyptische Dystopie endgültig als popkulturelles Ereignis verankert. Wilfried Reiter meint im Gespräch, dass die Inspiration wohl schon von derlei Geschichten gekommen sein müsse und ergänzt, dass er auch heute noch Anfragen bekommt, wann denn endlich eine Fortsetzung zu Burntime erscheinen würde!

Franziska Bechtold, Journalistin bei Futurezone, sagt, dass den Titel damit ein typisches Spiele-Schicksal ereilt habe, denn oft würden die Entwickler*innen späterer Spiele einfach aus den vorangegangenen Genre-Vertretern lernen und manches besser machen.
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Mit Oldtimer veröffentlichte Max Design bereits die dritte Wirtschaftssimulation. Als geistiger Nachfolger von 1869 - Hart am Wind versucht man als Spieler*in in der Automobil-Branche im Jahr 1929 Fuß zu fassen. Die Wertungen unterliegen einer Schwankung zwischen 59% und 85%, was rückblickend betrachtet weniger über das Spiel Oldtimer und mehr über den Spiele-Journalismus in den Neunziger-Jahren aussagt.

Kritisiert wurde von den Fachjournalisten an Oldtimer mangelnde Komplexität und zweckmäßige Grafik, während vor allem das spielinterne Lexikon mit Informationen zu Oldtimern gelobt wurde.

Ebenfalls im Jahr 1994 fungierte Max Design als Publisher für das Spiel Der Clou! des österreichischen Entwicklerstudios Neo Software. Größere Bekanntheit dürfte das Studio unter seinem späteren Namen Rockstar Vienna haben, das unter anderem für die Portierung diverser GTA-Teile verantwortlich war. Hannes Seifert, einer der Gründer von Neo Software, steuerte den Soundtrack für die Max Design-Titel Osiris, 1869 - Hart am Wind und Oldtimer bei. Hannes Seifert ist - im Gegensatz zu den Max Design-Gründern - noch heute in der Spiele-Industrie tätig.

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- Wilfried Reiter

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Mitte der Neunziger bekam Max Design Probleme mit einem Geschäftspartner in Deutschland. "Fast hätten wir die Rechte an unseren eigenen Spielen verloren", erzählt Wilfried Reiter. Beinahe hätte Max Design schließen müssen, der Ruin war nahe. Abgewendet wurde er durch eine Partnerschaft mit dem deutschen Publisher Sunflowers - unter dessen Logo dann auch Anno 1602 veröffentlicht wurde und weswegen der Kulthit auch als eines der erfolgreichsten deutschen Spiele gilt.

Bevor jedoch 1996 die Entwicklung von Anno 1602 begann, holte  sich Max Design jedoch mit der Börsensimulation Clearing House ein blaues Auge. Der Fachpresse gefiel der Titel nicht, zu trocken und langweilig sei das Börsentreiben, dem der Nervenkitzel des echten Brokerlebens mit echtem Geld fehle. Heinrich Lenhardt, ein Urgestein des deutschen Spiele-Journalismus, meinte im Test der PC Player 12/95: "Clearing House ist ein biederes Nischenprodukt, das mir nur unwesentlich mehr Spaß gemacht hat als meine Windows 95 Installation."

Im selben Jahr publiziert Max Design für die Kolleg*innen von Neo Software das Shoot Em Up Prototype, das vor allem aus technischer Hinsicht punktet und die damaligen Grafikmöglichkeiten ausreizt. 
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1996 veröffentlicht Max Design ein 3D-Action-Spiel. Auf fremden Planeten und Monden müssen die Spieler*innen in Strike Base eine Alien-Invasion aufhalten. Dabei steigen sie in die Cockpits verschiedener Raumschiffe, müssen sich aber auch um die strategische Planung des Kriegs kümmern. Monika Stoschek schreibt in der PC Player 05/96, dass der strategische Part zwar ein bisschen zu kurz käme, das Spiel aber zu gefallen wisse.

Auch wenn Strike Base wohl keinen bleibenden Eindruck im Genre der 3D-Shooter hinterlassen hat, zeigt das Spiel, wie unterschiedlich die Projekte der drei Schladminger  waren, bevor mit Anno 1602 ein Meilenstein der Spielegeschichte gelang. Der Erfolg von Anno 1602 zwang Max Design in gewissermaßen sesshaft zu werden und sich auf eine Spielemarke zu fokussieren. Vorbei war die Zeit, wo man sich kreativ austoben konnte. Nun hieß es: Inseln besiedeln und an den Erfolg mit Erweiterungen und Nachfolgern anknüpfen.

Die Ära von Anno war angebrochen!
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Anno 1602 - der Hit von Max Design

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Mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren zählt Anno 1602 zu den erfolgreichsten deutschen Spielen. Es legte den Grundstein für eine der bis heute erfolgreichsten Aufbaustrategie-Serien.

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Die ersten Prototypen zu Anno 1602 wurden laut Wilfried Reiter bereits 1995 gemacht, dann aber grundlegend überarbeitet. Tatsächlich begannen die Arbeiten im Jahr 1996.

1996 wurde das Team von Max Design um eine erste Mitarbeiterin ergänzt. Auf einer Party lernte Wilfried Reiter die Architekturstudentin Ulli Koller kennen. Man verstand sich und so begann Ulli Koller als Grafikerin bei Max Design zu arbeiten. Sie sollte bis zum Ende von Max Design im Team bleiben. Zusammen mit Albert Lasser zeichnete sie unter anderem für die ikonischen Zwischensequenzen von Anno 1602 verantwortlich - die heutzutage Kultstatus genießen.
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Ulli Koller hatte in Innsbruck Architektur studiert. Das lief, wie sie erzählt, damals noch ganz traditionell und ohne digitale Hilfe ab. Computergestützte Pläne oder gar die Beschäftigung mit 3D-Software standen nicht im Lehrplan. "Ich war mir gar nicht sicher, ob ich dafür überhaupt die Richtige bin, aber es hat mich wahnsinnig interessiert und so war mein Start [bei Max Design] besiegelt!", sagt sie. Sie lernte das Arbeiten mit den notwendigen Programmen autodidaktisch: "Martin Lasser, der einer der drei Gründer war, der hat mir am Anfang unter die Arme gegriffen. Darüber war ich sehr froh, aber dann auch sehr ehrgeizig, mir das beizubringen. Das war Learning by Doing und dabei habe ich einfach schon die ersten Objekte gefertigt und mich verbessert".

Auch das Spielen selbst war für sie neu: "Ich muss sagen, dass ich überhaupt nie zur Spielerin geworden bin. Natürlich haben wir unser Anno exzessiv getestet. Auch mit großem Spaß natürlich, zu sehen, wie das alles wächst, entsteht und funktioniert. Aber ich war nie die klassische Spielerin, die total angefixt war!" Sie lacht. "Natürlich habe ich aber geschaut, was die anderen [andere Strategie-Spiele wie Age of Empires oder Siedler] so machen, aber eher über die Berichterstattung von Magazinen wie PC Games oder Gamestar, um zu sehen, was gut funktioniert und gut ankommt. Weniger im Spielen, sondern über das Lesen, was so die Besonderheiten der anderen Konkurrenzprodukte sind."

Spiele wie Riven oder Myst haben sie aber schon fasziniert, wie sie ergänzt. Beeindruckt war sie von deren Atmosphäre und den Zwischensequenzen, kurzen Video-Filmen, die die Handlung des Spiels erzählen. 

Bei Anno 1602 schuf sie nicht nur Renaissance-Gebäude, sondern ebenso auch einige Zwischensequenzen.   






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Beim Design bewährte sich dann das Wissen aus Architekturgeschichte-Vorlesungen. "Ich bin auch immer gern nach Italien gereist. Diese alten Städte haben die Inspiration für Anno ausgemacht." Die alten italienischen Bauten, Plätze und die Stadt Venedig waren inspirierend. 

Als Luxus bezeichnet sie, dass sie durch die Spieleentwicklung die Chance hatte, nach ihrem Architekturstudium gleich und ohne Bauherrn einfach darauf loszuplanen und solche "Luftschlösser" entstehen zu lassen.
 
Auch der Blick nach vorne war für sie richtungweisend. Häuser verändern mit zunehmendem Spielverlauf ihre Form. Wichtig für Ulli Koller war, dass man von Stufe 1 an "imaginieren" konnte, wohin sich das Haus entwickeln würde.

"Ich konnte mich super in diesen Details verlieren. Wenn der Bogen des Hauses jetzt noch nicht da war, dann war er aber schon im Kopf für die nächste Stufe geplant!"

Dieses Imaginieren nach vorne und diese "Atmosphären", wie sie es nennt, hat sie sich aus der Zeit bei Max Design in ihren jetzigen Beruf mitgenommen. Heute arbeitet sie als Dozentin, Szenografin und designt Ausstellungen. Wenn sie einen Entwurf macht, soll man sich an diesem orientieren können und am Ende das anfängliche Bild noch sehen. Das habe sie bei der Entwicklung von Anno gelernt. 



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Spieler sind blass, ernähren sich von Tiefkühlpizza und Softdrinks, sitzen in dunklen Kellern und kennen Frauen oder die Sonne nur von Bildern aus dem Internet. So skizziert ein weitverbreitetes Klischee den klassischen Computerspieler. Dabei ist das Geschlechterverhältnis laut Statistik in Deutschland mittlerweile fast ausgewogen. So attestiert die Statista, dass es im Deutschland des Jahres 2020 etwa 17,5 Millionen Spieler und 16,5 Millionen Spielerinnen gibt. 

Trotz dieses fast ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses werden Frauen in der Szene, seien es Entwicklerinnen, Journalistinnen, Streamerinnen oder einfach Spielerinnen immer wieder mit Sexismus und Belästigung konfrontiert. 

Ulli Koller erzählt, dass sie keinerlei negative Erfahrungen gemacht habe. Die Zusammenarbeit mit den drei Max Design-Gründern war für alle beflügelnd und motivierend. Weder auf Messen noch in Redaktionen hatte sie negativen Erlebnisse.

Hervorgehoben wurde ihr Geschlecht aber schon. Es wurden in Fachzeitschriften Porträts über sie verfasst und dass sie in Modemagazinen wie Vogue oder Elle landen würde, hätte sie sich zu Beginn ihrer Tätigkeit bei Max Design auch nicht träumen lassen. "Irgendwo wurde mir die Zahnspange, die ich damals hatte, wegretuschiert, das muss in einem dieser Modeblätter gewesen sein!", sie lacht. "Die Frau wurde schon in den Vordergrund gehoben, aber es wurde sehr wertgeschätzt. Ich war fast ein bisschen wie ein bunter Hund!"

Weiterführende Infos zum Thema "Frauen in der Branche":

International waren Frauen übrigens von Anfang an führend in der Spielentwicklung beteiligt. Größen wie Roberta Williams (Mystery House; 1980), der die Erfindung des Grafik-Adventures zugeschrieben wird und die für Kultspiele wie Kings Quest verantwortlich war, Jane Jensen (Gabriel Knight; 1993) oder Brenda Romero (Wizardry; 1981, Jagged Alliance 2; 1999) können an dieser Stelle genannt werden. Weiterführend ist die Netflix-Dokumentation High Score zu empfehlen, die darum bemüht ist, die Spiele-Geschichte mit dem Fokus auf Diversität aufzuarbeiten.
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Anno 1602 erschien 1998.
Entwickelt wurde es in zweieinhalb Jahren von vier Schladminger*innen. Albert Lasser und Wilfried Reiter programmierten, Martin Lasser und Ulli Koller erstellten die Grafiken und Zwischensequenzen.
Den Soundtrack - neben einigen klassischen Stücken - komponierte der Schladminger Markus Pitzer.

Anno 1602 legte den Grundstein für eine Spiele-Serie. Die grundlegende Spielmechanik funktioniert auch in den neuen Teilen ähnlich wie in Anno 1602.
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Sie haben nie Anno 1602 gespielt? In diesem Video wird in fünf Minuten erklärt, worum es geht, woher es kommt, wie es funktioniert, was die Fachpresse dazu schrieb und ob es auch heute noch gespielt werden kann.

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Anno 1602 griff Elemente bereits bekannter Spiele auf, veränderte diese jedoch oder entwickelte sie weiter.

Wilfried Reiter erzählt, dass beispielsweise die Farmen in Siedler durchaus inspirierend waren. Man habe die Produktionszyklen dann aber deutlich komplexer gestaltet und auch der Straßenbau ist neu. Enstanden Wege bei Siedler automatisch, so müssen diese bei Anno 1602 selbst geplant werden und ergänzen das Spiel um eine weitere strategische Ebene - denn wenn die Straßen ungeschickt durch die Felder der Farmen gebaut werden, sinkt der Ertrag und Platz will auf den kleinen Inseln gut genützt sein.

Auch die deutsche Fachpresse hebt den (damals noch) ungewöhnlichen Genre-Mix hervor. Redakteur Jack schreibt in der PC-Joker 05/98: "Der Vergleich mit Blue Bytes Klassiker Die Siedler drängt sich natürlich bereits auf den ersten Blick auf, doch beschreitet man anno 1602 neue Wege: Ein filigranes Wirtschaftssystem auf der einen Seite, Echtzeitstrategie auf der anderen - so was gab es in dieser Form noch nicht. Da auch Grafik und Sound am Stand der (heutigen) Zeit sind, ist dieses Spiel mein ganz persönlicher Tip für alle Freunde ansprucshvoller PC-Unterhaltung!" Seine Wertung: 87%.



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Anno 1602 war kein reines Kriegs-Strategie-Spiel, mehr als nur ein Aufbauspiel wie Sim City und nicht nur Wirtschaftssimulation.

Max Design wählte einen Mittelweg. Eine wichtige Rolle spielt der wirtschaftliche Aspekt. Die Bedürfnisse des eigenen Volks müssen befriedigt werden. Dafür bauen die Spieler*innen Handelskreisläufe und Produktionsketten.

Hinweis: Die Begriffe Pioniere, Siedler, Bürger, Piraten und Aristokraten werden im Folgenden nicht gegendert, da sie aus dem Spiel übernommen wurden.

Sind die Wünsche der Bewohner*innen erfüllt, danken sie es mit einem sozialen Aufstieg. Aus Pionieren werden Siedler, aus Siedlern Bürger und diese entwickeln sich zu Kaufleuten. Mit jeder Stufe steigen einerseits die Ansprüche des Volkes, andererseits aber auch die Steuereinnahmen. Als letzte Stufe werden die feinen Kaufleute zu noblen Aristokraten.

Jedoch muss nicht nur das Konsumbedürfnis des Standes entsprechend befriedigt werden, sondern auch der Wunsch nach standesgemäßer Infrastruktur. So geben sich einfache Pioniere meist mit einem Wirtshaus und einer kleinen Kapelle zufrieden, während Bürger schon Badehäuser und größere Kirchen verlangen. Die Aristokraten wollen in Luxus schwelgen und entsprechend hoch sind ihre Forderungen. 

Umsichtiges und vorausschauendes Planen ist unumgänglich. Wenn die Siedlung etwa ungeschickt zugebaut ist und die Bürger plötzlich nach Schulen verlangen, ist für selbige kein Platz mehr und die Entwicklung der Stadt gerät ins Stocken. Auch Herausforderungen wie die Pest oder Feuersbrünste erschweren das unbeschwerte Siedeln und wollen mit gut platzierten Krankenhäusern und Feuerwachen bewältigt werden.

Gekämpft werden kann (vor allem auf höheren Schwierigkeitsgraden) gegen Mitspieler*innen oder Piraten, muss aber nicht. Kämpfen kann Sinn machen, wenn man selbst etwa Gewürze anbauen möchte, diese aber nur auf den Inseln von Gegner*innen wachsen. Ebenso lässt sich das Problem aber durch Handel lösen. Und das ist es, was Anno 1602 von der Konkurrenz abhebt. 

Während bei Siedler oder Age of Empires früher oder später immer ein Konflikt entsteht, bleibt es bei Anno 1602 den Spieler*innen überlassen, wie sie das Geschick des Volkes steuern wollen, denn auch das Managen der Siedlung, das Austüfteln der perfekten Platzaufteilung und das besonnene Planen sind herausfordernd und unterhaltsam genug, um stundenlang zu beschäftigen.


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Der Kontor ist das Kernstück jeder Siedlung. Hier werden die abgebauten Ressourcen gelagert, Schiffe be- und entladen und Handelsrouten eingerichtet.

Die Fischerhütte ist eines der ersten Gebäude im Spiel: Sie versorgt die Pioniere mit Nahrung.

Die hölzernen Baracken sind die erste Ausbaustufe der Wohnhäuser. In ihnen haben nur wenige Menschen Platz.

Siedler: Sind die Bedürfnisse der Pioniere erfüllt, werden sie zu Siedlern. Diese zahlen mehr Steuern und erhöhen die Bevölkerungszahl.

Bürgerhaus: Pioniere entwickeln sich zu Siedlern und Siedler zu Bürgern. Erfüllt man ihre Bedürfnisse - etwa nach einem Badehaus oder einer größeren Kirche - werden sie zu Kaufleuten. Diese können zu Aristokraten aufsteigen.

Für eine kleine Siedlung reicht zunächst eine Kapelle. Später fordert das Volk Krichen und sogar Kathedralen.

Bis zum Bau einer Werft ist man im Endlosspiel auf dieses kleine Schiffchen angewiesen. 

Ein Marktplatz erfüllt dieselben Aufgaben wie ein Kontor, wird jedoch nicht am Wasser gebaut. Durch Marktplätze erweitert sich die Größe der Siedlung und mehr Land kann bebaut werden.

Dieser Jongleur vor dem Marktplatz ist nur eines der zahlreichen Details, die auf Anno-Inseln zu entdecken sind.

In der Erzmine wird Erz geschürft, im Steinbruch erzeugt der Steinmetz Ziegel.

Der Steinmetz arbeitet im Steinbruch und produziert Ziegel. Es macht oft Sinn, mehrere Betriebe zu bauen: Zwei Steinmetze können an einem Steinbruch arbeiten.

In der Erzschmelze wird das Erz aus der Mine mit Holz vom Holzfäller zu Eisen verarbeitet. 

Die Werkzeugschmiede verarbeitet das Eisen aus der Erzschmelze zu Werkzeug. 
Werkzeug ist einer der wichtigsten Rohstoffe in Anno 1602.

Das ist ein Beispiel für einen typischen Produktionszyklus: Mine - Erzschmelze - Werkzeugschmiede

Der Holzfäller ist eines der wichtigsten Gebäude. Er versorgt die Siedlung vom ersten Tag an mit Holz, das nicht nur für Gebäude, sondern beispielsweise auch für die Eisenproduktion benötigt wird.

Symbole über den Häusern geben den Spieler*innen Feedback: Hier ist der Produktionsfluss gestört. 
Über Symbole erfahren die Spieler*innen beispielsweise auch, wenn die Pest in der Stadt wütet.

Das Jagdhaus versorgt - wie die Fischerhütte - die ersten Pioniere mit Nahrung. Erst später können Getreide- oder Rinderfarmen gebaut werden.

Dem Hirsch ist die nahe Jagdhütte egal. Noch ist kein Jäger auf der Pirsch.

Straßen müssen strategisch gut geplant sein, weil sie sonst wertvolle Anbau-Fläche verschwenden. Auf den engen Inseln muss clever geplant werden, um möglichst viele Bedürfnisse der fordernden Bewohner*innen zu erfüllen!

Mit diesen Karren werden die Rohstoffe von Produktionsstätten wie dem Holzfäller zum Marktplatz oder dem Kontor transportiert. Dem Gewusel zuzusehen, macht einen großen Teil des Reizes des Spiels aus, wie die Fachpresse 1998 schrieb.

Schule: Die Bürger verlangen nach einer Schule. Auf den ersten Blick könnte man sie mit einem Bürgerhaus verwechseln, doch geübte Spieler*innen können die Gebäude sofort zuordnen.

Das Wirtshaus erinnert optisch an Skihütten. Zufall? Das Entwicklerteam Max Design kommt aus dem Winterski-Ort Schladming. Wie Ulli Koller erzählt, ist das Team in der Mittagspause auch gerne Mal rodeln oder Ski fahren gegangen!

Das ist das einzige Haus, deren Bewohner*innen sich auf dieser Straßenseite bereits vom Pionier zum Siedler entwickelt haben.

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Anno 1602 traf mit seiner Spielmechanik, die eine Mischung aus Wirtschaftssimulation und Echtzeit-Strategie war, sicherlich eine Nische, die von damaligen Konkurrenzprodukten unzureichend ausgefüllt wurde. Trotzdem gehörte auch eine Portion Glück dazu. Laut Plan des Publishers Sunflowers hätte der Titel bereits früher - rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 1997 veröffentlicht werden sollen. 

Das schaffte das Team bei Max Design jedoch nicht und so erschien Anno 1602 nicht zum Weihnachtsgeschäft, sondern im März 1998.

Als Spiel, das nicht zu einer etablierten Marke gehört, wäre der Titel im Weihnachtsgeschäft vermutlich einfach untergegangen, vermutet Wilfried Reiter. Im März herrschte jedoch Flaute am Spielemarkt und die deutschen Zeitschriften stürzten sich begeistert auf die Aufbausimulation aus Österreich. Schon von Anfang an war der Erfolg garantiert.





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Nach dem gigantischen Erfolg von Anno 1602 war die logische Schlussfolgerung eine Fortsetzung, die ebenfalls von Max Design entwickelt wurde.

2020, 22 Jahre nach der Erstveröffentlichung, hat sich Ubisoft, das mittlerweile der Rechteinhaber der Lizenz ist, dazu entschlossen, die ersten vier Teile erneut als History Collection zu veröffentlichen. Auch Wilfried Reiter war an der Neuauflage beteiligt. Die vier Teile der History-Collection sind entweder im Paket oder auch einzeln erhältlich.

Die Neuauflage ist im Grunde nur eine Verschönerung. Die Auflösung ist höher, doch an der Spielmechanik wurde nichts geändert. Auf die Frage, ob er gern etwas verändert hätte, antwortet Wilfried Reiter, dass er bei Anno 1503 gerne das Balancing noch optimiert hätte. Dieses wäre im Mittelteil nicht ganz ausgewogen. Auf Anno 1602 ist er auch heute noch sichtlich stolz und auch Ulli Koller ist damit zufrieden und würde nichts mehr daran verändern.

Zu Recht - denn das Spiel ist auch in seiner Originalform noch spielbar und hat kaum von seinem Charme eingebüßt, wie eine Test-Session auch 20 Jahre später zeigt. Die nicht überarbeitete Version ist bei diversen Anbietern als digitale Kopie samt Handbuch auf PDF erhältlich. Wie diese aussieht, zeigt das folgende Let's Play-Video.




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Das Ende von Max Design

Nach dem Erfolg von Anno 1602 musste ein Nachfolger her. Das Team verdoppelte sich von vier auf acht Personen. Obgleich es einige Veränderungen im Detail gab, blieb das Grundkonzept gleich. Die Mischung aus Wirtschaftssimulation, Aufbaustrategie und Kriegsspiel sollte auch im Jahr 1503 funktionieren. Produktionskreisläufe wurden ausgebaut und es gab nun auch verschiedene Klimazonen im Inselparadies. Das bekannte Spielprinzip wurde in vielen Details filigraner. Eine spielerische Neuerung waren die Marktstände: Geld erwirtschafteten die Spieler*innen nicht mehr wie im ersten Teil durch Steuer-Einnahmen, sondern über den Verkauf von Gütern an das eigene Volk.

Auch ein Multiplayer-Modus wurde versprochen - aber erst 20 Jahre später in der History Collection nachgeliefert. 

Heiko Klinge, mittlerweile Chefredakteur der Gamestar, schrieb 2002 im Gamestar-Test von der alten Faszination, die auch im neuen Teil zu finden sei - dennoch käme Anno 1503 nicht ganz an das Original heran. Zudem nennt er Anno 1503 mit seinen gelungenen Effekten "das bisher hübscheste 2D-Spiel" und vergibt für "das Aufbau-Eldorado mit kleinen Schönheitsfehlern" 87%.



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Auch 2020 verstehen die Kernelemente des Spiels noch zu überzeugen. Journalistin Franziska Bechtold sieht im Erfolg des letzten Teils Anno 1800 (2019) eine Bestätigung der Spielmechanik des alten Originals: Denn nach mehreren Teilen, die experimentierten, die teilweise in der Zukunft spielten, hat sich die Reihe mit Anno 1800 wieder ihrer Wurzeln besonnen und die alten Stärken neu umgesetzt. Der Erfolg blieb nicht aus: Anno 1800 hat sich eine Million Mal verkauft. 

Max Design war nur an der Entwicklung der ersten beiden Spiele beteiligt. Wilfried Reiter erzählt aber, dass die Epoche um das neunzehnte Jahrhundert auch sein Wunschszenario für einen weiteren Teil gewesen wäre.
 
Hintergrundbild: Anno 1800, ©Ubisoft

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Vorher/Nacher Ansicht

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Nach dem Erfolg des ersten Anno stand fest: Es wird Fortsetzungen geben.

  • 2002 erschien Anno 1503.
  • 2006 folgte Anno 1701.
  • 2009 wurde Anno 1404 veröffentlicht.
  • 2011 erschien der erste Teil mit futuristischem Setting: Anno 2070.
  • 2015 konnte mit Anno 2205 erstmals auch der Mond besiedelt werden.
  • 2019 führte Publisher Ubisoft die Reihe zurück zu alten Wurzeln: Mit Anno 1800 ging es wieder in die Vergangenheit.
Neben dem Browser-Spiel Anno Online (2012), also einer Version, die kostenlos in jedem Webbrowser gespielt werden kann, und Anno - Erschaffe eine neue Welt (2009), das für Nintendos Handheld DS und die Konsole Wii veröffentlicht wurde, hat Ubisoft die ersten vier Teile 2020 in überarbeiteter Version als History-Collection veröffentlicht. 

Fun Fact: Die Quersumme der Zahlen im Titel war bisher bei allen Veröffentlichungen immer 9, weshalb Fans der Reihe nicht mit einem Anno-Spiel im zwanzigsten Jahrhundert rechnen.

Spielerisch besinnt sich der letzte Teil Anno 1800 alter Stärken. Optisch hat sich in den letzten 22 Jahren viel verändert. Die isometrische Pixel-Grafik wich modernen 3D-Modellen. Den Unterschied verdeutlicht das Vorher-Nachher-Bild (links: Anno 1602, rechts: Anno 1800).


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Nach der Veröffentlichung von Anno 1503 bastelte Max Design noch weiter am Multiplayer-Modus, in der Hoffnung, diesen noch nachliefern zu können. Max Design hat diese Aufgabe nicht mehr bewerkstelligt. Der Multiplayer-Modus folgte erst bei der Neuauflage im Jahr 2020.

Der sich rasant weiterentwickelnden Spielebranche war Max Design unter anderem wegen der steigenden Budgets für große Spiele aber auch wegen der – für die Spiele-Entwicklung –ungünstigen Lage  in Schladming nicht mehr gewachsen. 2004 beendete Max Design nach 13 Jahren "in denen es rund ging" seine schöpferische Tätigkeit. Die Auflösung des Studios verlief aber freundschaftlich, wie Ulli Koller und Wilfried Reiter erzählen.

Wilfried Reiter lebt mit seiner Familie in Schladming. Spiele macht er keine mehr, der IT-Branche ist er aber treu geblieben. Mit seiner Firma DevPoint betreut er unter anderem die Hotels der Region. Natürlich beobachtet er die Entwicklung der Anno-Reihe, bei einigen Teilen arbeitete er noch als externer Berater mit. Zum Spielen des letzten Teils Anno 1800 ist er noch nicht gekommen, aber er freue sich darauf, wie er sagt. Mit Albert und Martin Lasser trifft er sich noch regelmäßig.

Ulli Koller hat nach dem Ende von Max Design ihre Schöpfungen aus der virtuellen Welt der Aufbauspiele in die Realität gehoben. Die digitalen Renaissance-Bauten ersetzte die Architektin, Szenografin und FH-Dozentin durch das Gestalten und Schöpfen von Ausstellungen und anderen Projekten. Sie entwickelte mit der Agentur Triad den "Urban Planet"-Pavillon für die Expo in Shanghai im Jahr 2010. In den folgenden drei Jahren gingen acht Millionen Menschen durch ihre Kreation.
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